Vorlesen
Kunst in Quarantäne 2.0

Kladderadatsch

Zeitschrift, 13. August 1848
Deutsches Zeitungsmuseum Wadgassen
 

Gezeigt wird hier eine der ersten Nummern der politisch-satirischen Witzzeitschrift Kladderadatsch, die erstmals am 7. Mai 1848 in Berlin erschienen war und rasch große Popularität erzielte. Vom ersten Heft an zierte den Titelkopf das Gesicht eines lachenden Jungen. Vorausgegangen war die Märzrevolution von 1848, in deren Folge die radikale Pressezensur des Vormärz – die Karlsbader Beschlüsse – aufgehoben wurde.

Vorliegende Ausgabe setzte sich auf satirische Weise mit der nun wieder geltenden Pressefreiheit auseinander. Die Frankfurter Paulskirchen-Verfassung schrieb im darauffolgenden Jahr die Pressefreiheit erstmals in Deutschland fest; allerdings trat die Verfassung nie in Kraft. Die Gegenrevolution ließ die monarchischen Kräfte wieder erstarken und es wurden erneut repressive Pressegesetze erlassen, nicht zuletzt in Preußen. Die Zeitschrift Kladderadatsch war eine der wenigen Witzblätter, die dem nicht zum Opfer fielen. Die Zeitschrift bestand noch bis 1944 fort; ab den 1920er Jahren schwenkte sie zunehmend auf einen nationalsozialistischen Kurs ein und stellte sich nach der Machtübernahme ganz in den Dienst der antisemitischen Hetzpropaganda.

(Deutsches Zeitungsmuseum Wadgassen)

 

Begleitende Lyrik

Hans Reimann (1889-1969)

Der 1889 in Leipzig geborene humoristische Schriftsteller, Kabarettist und Drehbuchautor Hans Reimann wurde ab April 1935 von den Nationalsozialisten in eine „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ aufgenommen. Von 1933 bis 1945 arbeitete er als Redaktionsleiter beim Kladderadatsch, allerdings wurde er im Impressum nicht erwähnt.

Bereits 1924 hatte er die Zeitschrift „Das Stachelschwein“ gegründet, die er als Chefredakteur bis 1929 herausgab. Hier bot er u.a. Erich Kästner zum ersten Mal ein Forum. Nach der Zeitschrift wurde später das Berliner Kabarett „Die Stachelschweine“ benannt.

Von Reimann existiert auch ein Gedicht mit gleichnamigen Titel: „Drei kleine Stachelschweine“.

 

Drei kleine Stachelschweine

3 kleine Stachelschweine

rannten wer-weiß-sie-sehr

vermöge ihrer Schweinebeine

immer hintereinander her –

vorn das erste, hinten das dritte,

Nummer 2 jedoch in der Mitte.

Schließlich ward ihnen der Spaß zu dumm:

Sie kehrten kurz entschlossen um

und rannten zurück mit Windesschnelle.

Jetzt war Nummer 3 an erster Stelle,

die 1 hingegen machte die 3,

Mitte blieb nach wie vor Nummer 2.

Menschen geht’s ähnlich obigen Tieren.

Die Mittelmäßigkeit hat nichts zu riskieren.

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