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Kunst in Quarantäne 2.0

Albert Weisgerber (1878-1915)

David und Goliath, 1914
Gemälde
Moderne Galerie
 

1914 malte Albert Weisgerber "David und Goliath" eines seiner Hauptwerke. David, von eher knabenhaft-schmächtiger Gestalt, hat Goliath, den übermächtigen Riesen, mit Schleuder und Stein niedergestreckt. „Da lief er hin und trat zu dem Philister und nahm dessen Schwert und zog es aus der Scheide und tötete ihn vollends und hieb ihm den Kopf damit ab. Als aber die Philister sahen, dass ihr Stärkster tot war, flohen sie“, heißt es im Bibeltext. Weisgerber gibt den Augenblick vor der Enthauptung Goliaths, doch im Gegensatz zum Text flieht im Hintergrund des Gemäldes bereits das entsetzte Heer der Philister.

Bevor er im Herbst 1914 in den Krieg zog, ließ Weisgerber sich vor diesem Gemälde fotografieren. Der zeitgeschichtliche Zusammenhang, in dem das Gemälde steht, legt die Vermutung nahe, dass diese Darstellung mehr enthält als lediglich die Illustration einer alttestamentarischen Begebenheit. Zunächst gibt das Gemälde der Figur Davids den Hauptakzent. Er allein hat Goliath besiegt und die Philister in die Flucht geschlagen. Das Spannungsfeld aber zwischen dem Einzelnen und der Allgemeinheit war für die aufbegehrende Künstlergeneration vor dem Ersten Weltkrieg von entscheidender Bedeutung. Es gehörte zur Alltagserfahrung, von einer Mehrheit nicht verstanden und abgelehnt zu sein. In den zahlreichen Darstellungen des heiligen Sebastian gibt sich dieses Bewusstsein auch im Werk Weisgerbers zu erkennen. Während dort jedoch der Einzelne unterliegt und zum Märtyrer wird, ist David siegreich über die Philister, die Feinde des auserwählten Volkes.

Etwas von dem elitären Bewusstsein, dass die „Auserwählten“ kraft der Wahrheit, die sie vertreten, letztlich doch die Oberhand gewinnen, ist – auf das Verhältnis des Künstlers zur Gesellschaft bezogen – unterschwellig in diesem Gemälde vorhanden. Dass „Philister“ für die Generation der Expressionisten die Bezeichnung für den beschränkten Kleinbürger mit einer bedächtig-engen , spießerhaften Lebensauffassung war, unterstreicht diese Sicht.

(Ernst-Gerhard Güse, in: Meisterwerke des 20. Jahrhunderts, 1999)

 

Begleitende Lyrik

Friedrich Hebbel (1813-1863)

Friedrich Hebbel wurde 1813 in Dithmarschen (bis zum deutsch-dänischen Krieg 1867 zum Herzogtum Holstein gehörend) geboren. Zu seinen Hauptwerken zählt die Tragödie "Maria Magdalena", die 1843 entstand, und als das letzte deutsche bürgerliche Trauerspiel gilt. Hebbel starb 1863 in Wien.


David und Goliath

Diesen Riesen zu töten, war leicht für den mutigen Hirten,

Welcher, im Schleudern geschickt, sicher versandte den Stein.

Schwerer fand er es schon, den Toten des Haupts zu berauben,

Doch es gelang ihm zuletzt durch den verdoppelten Streich.

Aber dem letzten erliegt er, er soll es dem König ja bringen,

Und nun schleppt er sich tot an der gewaltigen Last. 

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