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Kunst in Quarantäne 2.0

Carl Heinrich Jacobi (1824-1897)

Grube Sulzbach-Altenwald, Eisenbahn-Schächte, 1860-1868
Fotografie auf Albuminpapier
Fotografische Sammlung des Saarlandmuseums
 

Am 16. Juni 1935 hat das Heimatmuseum Saarbrücken ein von Siebert herausgegebenes Album mit den „Ansichten der Gruben- und Hüttenanlagen des Saarbrücker Steinkohlenreviers“ von Frau von Hunolstein als Schenkung erhalten.

Das Album beinhaltet 22 Fotografien auf Albuminpapier (zur Ansicht in der Kunstquarantäne die Fotografie „Grube Sulzbach-Altenwald, Eisenbahn-Schächte). Alle Albuminabzüge sind auf vorgedruckte Kartons montiert, die neben dem Titel der einzelnen Aufnahmen und den Namen des Saarbrücker Verlages Siebert auch den Fotografen anzeigen, nämlich Ph.v.C.H. Jacobi, Creuznach. […]

1824 wird Carl Heinrich Jacobi geboren und gibt im Jahr 1875 an, dass er 1860 ein eigenes Atelier in Bad Creuznach gegründet hat. 1866 wird sein Atelier im „Adress-Handbuch ausübender Photographen“ verzeichnet. 1868 zieht Jacobi in die Gegend von Koblenz und stellt im selben Jahr „Reproductionen Cauer’scher Statuen von brillanter Wirkung“ in Hamburg aus. In Neuendorf bei Koblenz baut er eine Lichtdruckanstalt auf, die schon bald zu den bedeutendsten im Rheinland gehören soll. […]

Die Tatsache, dass die Saarbrücker Blätter mit den aufmontierten Abzügen allesamt den Aufdruck „Ph.v.C.H. Jacobi, Creuznach“ tragen, lässt die Datierung des Albums auf den Zeitraum von 1860, dem Gründungsjahr des eigenen Ateliers in Bad Kreuznach bis 1868, dem Jahr, in dem Jacobi nach Koblenz umzieht und dort seine Lichtdruckanstalt gründet, eingrenzen.

Das Saarbrücker Album mit den Fotografien von Carl Heinrich Jacobi besticht durch die ästhetische Herangehensweise an die Industriemotivik, die eine deutlich größere Rolle spielt als rein dokumentarische Darstellungsabsichten. Sorgfältig ausbalancierte Massenverhältnisse prägen die gesamte Serie. Ein neuer Landschaftstyp wir d geschaffen […].

Gleichermaßen fehlt nicht, etwa wie in der Industriefotografie der Neuen Sachlichkeit des 20. Jahrhunderts, der Mensch in Jacobis Industriebildern. In allen Fotografien der Mappe finden wir Arbeiter, Verwalter und Ingenieure bei ihrer Arbeit […]. Zugegeben, sie wirken etwas steif und wenn man […] sich vorstellt, dass alle sichtbaren Menschen während der Aufnahme auf Geheiß der fotografischen Choreografie erstarren mussten, hat man einen Eindruck von dem großen organisatorischen Aufwand, der hinter dem Anspruch steht, dass die Fabriken nicht ohne ihr Personal fotografisch abgebildet werden sollen.

(Dr. Roland Augustin, in: Gebanntes Licht, Die Fotografie im Saarlandmuseum von 1844 bis 1995)

 

Begleitende Literatur

Johannes Kirschweng (1900-1951)

Der Priester und Schriftsteller Johannes Kirschweng wurde 1900 in Wadgassen geboren. Nach Priesterweihe in Trier und Theologiestudium in Bonn kehrte er  ins Saargebiet zurück und widmete sich ausschließlich der Schriftstellerei;  er verfasste vornehmlich Erzählungen, Romane, Gedichte und Märchen, die sowohl durch seine saarländischen Wurzeln als auch durch seine katholische Prägung beeinflusst sind.

„Kirschweng schrieb nicht nur eine klare, anschauliche und von einem musikalischen Unterton durchdrungene Prosa, sondern sein Stil lebte auch aus einer Polarität, wie sie in dieser Verschmelzung nicht ihresgleichen hatte“, resümierte Alfred Petto im August 1961 in der Saarbrücker Zeitung zu Kirschwengs Prosastil.

Kirschwengs Erzählung „Zwischen Welt und Wäldern“ ist dem gleichnamigen Erzählband entnommen, der erstmals 1930 erschien und nachweislich in 5 Auflagen herausgegeben wurde.

 

Zwischen Welt und Wäldern

(Auszug)

Wem ich sage, dass ich in Wadgassen geboren bin, an der Saar zwischen Saarlouis und Saarbrücken, der sieht Schlote vor sich und das dunkle Gewölk, mit dem sie die Himmel überziehen, der hört das Heulen der Sirenen und das Lärmen der Dampfhämmer und der Eisensägen.

Aber zu meinen frühesten Erinnerungen gehören Rehe, die auf der Höhe des Hügels vor dem Haus im Abendlicht standen. Sie waren aus dem Wald und seinen Geheimnissen herausgetreten, aber eigentlich nur, um das Haus und den Beginn des Dorfes wenigstens noch in den Wald und seine blaue Dämmerung hineinzuziehen. Und es muss ihnen gelungen sein, nicht nur für einen Abend oder ein paar Winternächte, die Dorf und Wald in der milchigen Flut des Nebelmeers zusammenströmen ließen, sondern für die ganzen Jahre der Jugendzeit. Denn immer, wenn ich an Heimat denke, sind da zwar Vater und Mutter und Geschwister, aber sie sind umrauscht vom Rauschen des Waldes.

[…]

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