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Kunst in Quarantäne 2.0

Christian Rohlfs (1849-1938)

Der Zecher (Der Säufer), 1921
Gemälde
Moderne Galerie

 

Das annähernd 70 Jahre währende künstlerische Schaffen des norddeutschen Malers Christian Rohlfs (1849-1938) hat die verschiedensten stilistischen Entwicklungen und motivischen Wandlungen durchlaufen. Von der realistischen Figuren- und Historienmalerei akademischen Charakters des ausgehenden 19. Jahrhunderts herkommend, über den Impressionismus, den Pointillismus, über zahlreiche Stilexperimente und die zunehmende Hinwendung zur Abstraktion gelangte der Künstler schließlich zum Expressionismus.

Häufig insbesondere für diese - dem sogenannten Alterswerk zugeschriebene - Schaffensphase geschätzt, gilt Rohlfs heute als einer der bedeutendsten Vertreter des deutschen Expressionismus. Der ersten Phase dieses Alterswerks, zwischen 1919 und 1929, entstammt auch das Gemälde "Der Zecher" aus dem Jahre 1921. Damit reihte es sich  in die beretis in der Sammlung befindliche Werkgruppe des Künstlers aus dieser Periode ein.

Der Zecher zeugt, nach einer längeren Konzentration auf die Landschaftsmalerei, von einer Rückkehr Rohlfs zur figürlichen Malerei und einer Hinwendung zu Genreszenen, die nicht selten auf der unmittelbaren Beobachtung seiner Umgebung beruhten.

Bei der Darstellung eines kräftigen, Wein trinkenden Mannes, dessen Physiognomie ebenso wie der ihn umgebende Raum mehr zu erahnen als klar zu erkennen ist, scheint die nahezu entmaterialisierte Farbigkeit und der dynamische Pinselduktus die Illusion einer trunkenen Bewegung und Wahrnehmung zu suggerieren.

(Myriam Herbel, in: 2000+, Neu im Saarlandmuseum)

 

Begleitende Lyrik

Rainer Maria Rilke (1875-1926)

 

Die Gedichtsammlung "Buch der Bilder" ist die heterogenste Sammlung die Rainer Maria Rilke je herausgegeben hat. Zum einen ist dies mit der langen Entstehungszeit begründet: das früheste Gedicht stammt vom September 1898 und das letzte vom Juni 1906. Zum anderen weil inmitten dieser langen Entstehungszeit eine deutliche Zäsur von früher und mittlerer Schaffensphase fällt.

Während im vorausgegangenen Gedichtband der "Neuen Gedichte" eine emotional unterkühlte, formal perfektionierte Sprechweise vorherrscht, um eine ästhetische Autonomie zu wahren, behandeln die Gedichte im "Buch der Bilder" eine  Betroffenheit, die Nöte und Sehnsüchte thematisiert, wie Ulrich Fülleborn feststellte.

Das "Buch der Bilder" enthält im zweiten Buch, zweiter Teil einen "Gedichtkreis" der mit der Überschrift "Die Stimmen. Neun Blätter mit einem Titelblatt" versehen ist. In Form von "Rollengedichten", bei denen die sprechende Figur eine "eigene" Stimme erhält, stehen Emotionen und Gedanken des jeweiligen Individuums im Vordergrund.

Rilke thematisiert Figuren wie den Bettler, den Blinden, den Idioten, den Selbstmörder oder auch den Trinker. Die Gedichte des Themenkreises "Die Stimmen" sind alle als "Lieder" betitelt.

Das Gedicht "Das Lied des Trinkers" entstand im Zeitraum vom 7. bis 12. Juni 1906 in Paris.

 

Das Lied des Trinkers

 

Es war nicht in mir. Es ging aus und ein.
Da wollt ich es halten. Da hielt es der Wein.
(Ich weiß nicht mehr was es war.)
Dann hielt er mir jenes und hielt mir dies
bis ich mich ganz auf ihn verließ.
Ich Narr.

Jetzt bin ich in seinem Spiel und er streut
mich verächtlich herum und verliert mich noch heut
an dieses Vieh, an den Tod.
Wenn der mich, schmutzige Karte, gewinnt,
so kratzt er mit mir seinen grauen Grind
und wirft mich fort in den Kot. 

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