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Kunst in Quarantäne 2.0

Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938)

Skizze zweier Marokkaner, 1910
Schwarze und farbige Kreiden auf getöntem Papier
Grafische Sammlung - Moderne Galerie (Ausstellung "Welt - Bühne - Traum")

 

Ernst Ludwig Kirchners „Skizze zweier Marokkaner“ aus dem Jahr 1910 gelangte im Jahr 1982 – mit Eingliederung der Sammlung Kohl-Weigand – zusammen mit sechs weiteren „Marokkaner“-Skizzen in den Grafikbestand der Modernen Galerie.

Die mit Kreide angefertigte Zeichnung entstammt wahrscheinlich einem Skizzenbuch, das Kirchner in den Jahren 1909 und 1910 verwendete und von dem heute noch 24 Blätter erhalten sind, die sich u.a. in Kassel, Davos, Essen und Dresden befinden.

Die Kreidezeichnung skizziert zwei stehende Figuren unter einem Dreieck, das die beiden als „Marokkaner“ betitelte Personen wie unter einem Dach stehend erscheinen lässt, rechts daneben findet sich eine weitere Person, von der lediglich der Oberkörper angedeutet wird. Die Umrisse der Figuren sind nur mit wenigen markanten Liniensegmenten wiedergegeben, die buntfarbige Kleidung ist mit summarischer Schraffur angedeutet.

Zur Zeit der Entstehung des Blattes ist eine „Völkerschau“ in Dresden belegt, die Kirchner häufig besuchte. Hier wurden Menschen als lebende Ausstellungsobjekte vorgeführt, fremdländische Tänze und Riten ihrer jeweiligen Heimat als Spektakel arrangiert. Von April bis Mai 1910 gastierte etwa „Das Afrikanische Dorf. Neue Sittenbilder aus Afrika“ in Dresden. Auch der Zirkus Sarrasani organisierte solche „Völkerschauen“, die im Jahr 1909 auch marokkanische Artisten vorführten.

Zirkusartisten und schwarze Menschen galten in der wilhelminischen Gesellschaft als Außenseiter. Den „Brücke“-Künstlern dienten sie hingegen als Projektionsfläche für das Idealbild des ursprünglichen und naturverbundenen Menschen. Während Max Pechstein und Emil Nolde ihrer Faszination des Exotischen mit Reisen in die Südsee nachspürten, rezipierte Kirchner die außereuropäischen Kulturen lediglich bei Besuchen im Völkerkundemuseum oder den erwähnten Völkerschauen in Dresden.

(Dr. Elke Schwarz, Fördergesellschaft)

 

Begleitende Lyrik

Adel Karasholi (geb. 1936)

Der 1936 in Damaskus geborene arabisch-deutsche Schriftsteller und Übersetzer Adel Karasholi lebt seit Anfang der 1960er Jahre in Leipzig. Vor allem in den 1970er Jahren wurde ihm häufig das Etikett der „Gastarbeiterliteratur“ angeheftet, doch seine Lyrik und Prosa versteht sich als Versuch die Gräben zwischen Orient und Okzident zu überwinden. Immer wieder thematisiert er die stereotypen Araberbilder in der Gesellschaft, beschäftigt sich mit dem „Exotismus“ und dem „Fremden“, aber auch mit dem Thema „Heimat in der Fremde“.

Das Gedicht „So wollen sie uns“ ist dem 1995 erschienenen Gedichtband „Also sprach Abdulla“ entnommen. Bereits im Titel „So wollen sie uns“ rückt Karasholi die differente Ausgangsposition von Eigen- und Fremdwahrnehmung in den Fokus.

 

So wollen sie uns

Kamel hinter Kamel

Und barfuß der Mann mit dem Turban

Sand grenzt den Himmel ab

Sand die Zukunft

Sand und Kamele

So stehen wir in den Schaufenstern

Derer

Die davon leben

 

 

 

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