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Max Slevogt (1868-1932)

Slevogt mit Weihnachtsbaum (Illustration in einem Brief), 1917
Papier, zart liniert, auf leichten Karton montiert
Moderne Galerie

 

Max Slevogt, 1868 in Landshut geboren und 1932 in Leinsweiler/Pfalz gestorben, zählt mit Lovis Corinth und Max Liebermann zum Dreigestirn der deutschen Impressionisten.

Im Sommer 1914 hatte Slevogt den Landsitz seiner Schwiegereltern in Neukastel ersteigert, hier verbrachte er im Jahr 1917 auch die Weihnachtstage. Aus dieser Zeit ist ein Brief an seinen Freund, den Kunsthistoriker Dr. Johannes Sievers, erhalten. Slevogt illustrierte den Brief mit einem Selbstbildnis mit Tannenbaum.

Der Brief gelangte 1982 mit Eingliederung der Sammlung Kohl-Weigand in die Bestände des Saarlandmuseums.

 

Was schreibt Slevogt an Johannes Sievers ?

 

Mein lieber Doctor!

Auch ich bedaure es von Herzen, daß ich nicht zu Ihrem Weihnachtsurlaub gleich an der Bahn stramm stehen kann, gebe aber die Hoffnung, Sie zu sehen, noch nicht ganz auf, – einmal, weil die Möglichkeit nicht ganz ausgeschlossen ist /?/, daß wir plötzlich so gegen den 8. Januar angereist kommen, (– die zurückhaltende Kraft ist die ganz ungenügende Beheizung unserer Wohnung durch den verehrten Hausbesitzer, worüber ich resultatlos verhandle, u. „wovor“ meine Knochen einen ganz heillosen Respekt haben.) – Dann aber der lustvolle Gedanke, daß Sie hin oder herzu’s [sic] leicht über Landau /via Lille – Metz –/ fahren könnten u. einen Tag der Besichtigung unserer Waldidylle widmen könnten, wenn es Ihre liebe Frau zugiebt [sic]! – Das wäre sehr schön! –

Der Sommer ist mir trotz mancher Sorgen gut bekommen, auch meiner Produktion, – aber der Wahn einer fabelhaften Abhärtung schmolz bei Beginn des Novembers schon zusammen, u. so laboriere ich seit 6 Wochen, erst an einer scheußlichen Influenza, jetzt an einem „Alters“husten u. Katarrh höchst öde dahin /herum/. Kindern u. Frau geht es soweit gut, daß leider ihre Mutter, meine Schwiegermutter, Ende September nach langem Leiden hier starb, glaube ich Ihnen geschrieben zu haben, – u. dies hat meine Frau sehr angegriffen. – Nun sind wir schon die alte Generation, – der Teufel soll es holen! Viele herzliche Grüße

Ihr Max Slevogt

 

 

 

Hintergründe zu diesem Brief:

Johannes Sievers hatte wohl zu Weihnachten Heimaturlaub erhalten und war nach Berlin zu seiner Familie gereist. Slevogt hielt sich indessen noch auf seinem Gut Neukastel in der Pfalz auf. Aufgrund seiner angegriffenen Gesundheit fürchtete Slevogt die Rückkehr in eine durch die kriegsbedingte Kohlenknappheit schlecht geheizte Wohnung in Berlin. Slevogts Schwiegermutter, Johanna Finkler, war am 29.9.1917 im Vinzentius-Stift in Landau verstorben.

 

 

Wer war Johannes Sievers?

Der Kunsthistoriker Johannes Sievers (geb. 1880 in Berlin) begann 1901 ein Studium der Kunstgeschichte bei den Privatdozenten Karl Voll, einem Freund von Max Slevogt, und Arthur Weese in München. Außerdem studierte er Archäologie bei Adolf Furtwängler und Philosophie bei Theodor Lipps. Nach einer Unterbrechung für den einjährigen Militärdienst setzte Sievers sein Studium Ende 1903 in Berlin bei Adolph Goldschmidt und Heinrich Wölfflin fort. Bei Goldschmidt promovierte er 1906 zusammen mit seinem Freund Anton Mayer über Pieter Aertsen.

Durch die Empfehlung seines Doktorvaters arbeitete er anschließend als Volontär im Kunstgewerbemuseum Berlin. Ende 1906 wechselte Sievers an die Gemäldegalerie des erst zwei Jahre zuvor eröffneten Kaiser-Friedrich-Museums Berlin, deren Direktor Max J. Friedländer war. Im Frühjahr 1907 wurde er an das Kupferstichkabinett versetzt, in dem er einen Saal für Wechselausstellungen mit einer Präsentation zu den vervielfältigenden Künsten einrichtete und den Studiensaal betreute. Da 1879 die Zeichnungen von Künstlern des 19. Jahrhunderts an die Nationalgalerie abgegeben worden waren, war lediglich die Druckgraphik derselben Künstler im Kupferstichkabinett verblieben. Mit dem Direktor des Kupferstichkabinetts Max Lehrs (1855–1938) hatte Sievers eine heftige Auseinandersetzung, als er den Ankauf der fünfzehn Lithographien zur Ilias von Max Slevogt vorschlug, was Lehrs vehement ablehnte.

Als Lehrs 1908 als Direktor des Kupferstichkabinetts nach Dresden wechselte, wurde  Max J. Friedländer sein Nachfolger in Berlin. Sievers wurde im Juni 1908 als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter eingestellt und übernahm wieder die Verwaltung der modernen Abteilung.

Der Direktor Max J. Friedländer übertrug ihm erneut die Verwaltung der modernen Abteilung und beauftragte ihn mit der Vervollständigung der Sammlung mit Arbeiten zeitgenössischer Künstler. Der neuerliche Vorschlag von Johannes Sievers, Werke von Max Slevogt in die Sammlung aufzunehmen, fand diesmal Zustimmung: Friedländer beauftragte ihn, mit dem Künstler Kontakt aufzunehmen. Außerdem erhielt er völlige Freiheit bei der Auswahl der Werke. Anfang Juni wurde er in das Atelier des Künstlers eingeladen. Sievers wollte für die Sammlung des Kupferstichkabinetts das druckgraphische Werk Slevogts möglichst vollständig erwerben. Er beschreibt die Begegnung und die daraus sich ergebende Arbeit und Freundschaft sehr anschaulich: „Freilich, er machte eine Bedingung, während er einen mit Stößen von Papieren vollgestopften Schrank öffnete: ‚Sie müssen sich selbst heraussuchen, was Sie haben möchten, ich finde mich darin nicht mehr zurecht‘, sagte er ungefähr dem Sinne nach. Nun, einige Stichproben ließen mich erkennen, daß diesem ‚Heraussuchen‘ eine durchgreifende Ordnung des Materiales vorausgehen müßte, und dafür war die Beschaffung größerer und kleinerer Mappen und Umschläge eine unumgängliche Voraussetzung: Slevogt stimmte freudig zu, als ich ihm die baldige Lieferung durch die Werkstätten des Kupferstichkabinetts zusagte. So türmten sich schon nach kurzer Zeit Papp- und Papierumschläge in Slevogts Arbeitszimmer, und viele Abende und Nächte vergingen, bis alles Zusammengehörende an seinem Platz lag und auf den ersten Griff zu finden war. Dann suchten wir den jeweils besten Druck für das Kupferstichkabinett heraus, während ich gleichzeitig die Entstehungsgeschichte jedes einzelnen Blattes für den sofort von mir in Aussicht genommenen Oevrekatalog [sic] niederschrieb. (...)

(Auszug aus der Publikation „Max Slevogt. Briefe 1898 – 1932“, herausgegeben von Dr. Eva Wolf, verantwortlich für Archiv und Provenienzforschung am Saarlandmuseum. Die Publikation erschien im Jahr 2018 anlässlich des 150. Geburtstages von Max Slevogt.)

 

 

Begleitende Lyrik

Joachim Ringelnatz (1883-1934)

Der 1883 geborene Kabarettist und Schriftsteller Hans Gustav Bötticher publizierte ab 1919 unter dem Pseudonym Joachim Ringelnatz. Heute ist er vor allem für seine humoristischen Gedichte rund um die Figur des Seemanns „Kuttel Daddeldu“ bekannt, die er erstmals in seinem 1920 erschienenen gleichnamigen Gedichtband einführte.

Ringelnatz verdiente seinen Lebensunterhalt vornehmlich mit Auftritten als Kabarettist – dies nahm 1933 mit dem von den Nationalsozialisten erteilten Auftrittsverbot ein Ende. Ringelnatz starb 1934 in Berlin an Tuberkulose.

Sein Gedicht zum Thema „Schenken“ entstand 1928 – und hat zweifelsohne zeitlos gültigen Inhalt.

 

Schenken

Schenke groß oder klein,

aber immer gediegen.

Wenn die Bedachten

die Gabe wiegen,

sei dein Gewissen rein.

 

 

Schenke herzlich und frei.

Schenke dabei,

was in dir wohnt

an Meinung, Geschmack und Humor,

so dass die eigene Freude zuvor

dich reichlich belohnt.

 

 

Schenke mit Geist ohne List.

Sei eingedenk,

dass dein Geschenk –

Du selber bist.

 

 

 

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