Vorlesen

László Moholy-Nagy (1895-1946)

Ohne Titel (Filmspulen), um 1940-1943
Fotogramm, Silbergelatinepapier auf Karton
Fotografische Sammlung

 

László Moholy-Nagy wurde 1895 in Bácsborsód in Ungarn geboren, beginnt 1913 an der Universität Budapest Jura zu studieren und wird 1915 Soldat in der österreichisch-ungarischen Armee. Nach Ende des Ersten Weltkrieges setzt er sich 1918 erstmals mit Malerei auseinander, genau in dem Jahr, als er sein Studium endgültig aufgibt. 1919 emigriert er nach Wien und zieht 1920 nach Berlin, wo er schnell in Kontakt mit Raoul Hausmann, Kurt Schwitters, Hannah Höch, Walter Dexel und anderen Künstlern kommt.

Ein frühes Beispiel seiner Malerei mit dem Titel „Brücken“ stammt aus dem Jahr 1920 und wird 1969 für das Saarlandmuseum erworben.

 

Als Vertreter der Gruppe MA besucht Moholy den Ersten Internationalen Kongress für fortschrittliche Künstler 1922 in Düsseldorf. Er lernt dort Theo van Doesburg kennen und im selben Jahr entstehen seine ersten Fotogramme. 1923 publiziert er seinen ersten Text zur Fotografie „Light – a medium of plastic expression“  mit vier seiner Fotogramme in der amerikanischen Zeitschrift Broom und übernimmt im selben Jahr am Bauhaus in Weimar den Vorkurs in der Nachfolge von Johannes Itten.

Moholy ist als Formmeister der Metallwerkstatt bis 1928 tätig und profiliert sich in dieser Zeit als Maler, Plastiker, Typograph, Lichtgestalter und Theoretiker. Ein Jahr nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten emigriert Moholy zunächst nach Amsterdam, dann nach England. 1937 übernimmt er die Leitung des New Bauhaus in Chicago und gründet dort, ein Jahr nach der Schließung des Instituts, 1938 die School of Design. Am 24. November 1946 stirbt Moholy in Chicago.

 

Das Saarlandmuseum besitzt vier Fotoarbeiten von Moholy, eine Fotografie aus der Zeit 1926-1928 (1973 erworben) und drei Fotogramme aus den später dreißiger und vierziger Jahren (erworben 1955). In der Abbildung ist ein Fotogramm „Ohne Titel“ (Filmspulen), entstanden zwischen 1940-1943, zu sehen.

Die Fotogrammtechnik ist ein fotografisches Verfahren ohne Kamera. Die Bilder entstehen, indem beliebige Gegenstände auf dem lichtempfindlichen Material, entweder im Unikatverfahren direkt auf dem Fotopapier oder aber auf dem Film liegend, belichtet werden. Moholy-Nagy arbeitet ausschließlich mit der direkten Belichtung des Papiers. Die belichteten Stellen erscheinen im Fotogramm schwarz, während die vom entsprechenden Gegenstand verschatteten Bereiche in dem entwickelten Bild weiß bleiben. (…)

In den fünfziger Jahren werden Moholys Ideen einer gestaltenden Fotografie in der von dem Saarbrücker Otto Steinert initiierten subjektiven fotografie wieder aufgegriffen. Bezeichnenderweise zeigt Steinert in seiner ersten Ausstellung subjektive fotografie Fotogramme von Moholy-Nagy.

1955, ein Jahr nachdem Steinert seine zweite Ausstellung subjektive fotografie in Saarbrücken zeigt, werden drei Fotogramme Moholy-Nagys auf der Neuerwerbungsliste des Saarlandmuseums verzeichnet.

(Dr. Roland Augustin, in: Gebanntes Licht, Die Fotografie im Saarlandmuseum von 1844-1995)

 

 

Begleitende Lyrik

Mascha Kaléko (1907-1975)

Die 1907 in Chrzanow (damals Österreich-Ungarn, heute Polen) geborene deutsch-jüdische Schriftstellerin Golda Malka Aufen gehörte in der Weimarer Republik neben Else Lasker-Schüler und Erich Kästner zur führenden literarischen Avantgarde. 1928 hatte sie den Hebräischlehrer Saul Aaron Kaléko geheiratet und publizierte unter dem Namen „Mascha Kaléko“. Bereits im Januar 1933 erschien ihr „Lyrisches Stenogrammheft“, das ihre Großstadtlyrik in einem Sammelband vereinte.

Ihre Publikation entging zunächst der nationalsozialistischen Bücherverbrennung im Mai 1933.

Über das „Lyrische Stenogrammheft“ – welches auch das Gedicht „Nekrolog auf ein Jahr“ beinhaltet - schrieb Martin Heidegger 1959 an Kaléko: „Ihr ‚Stenogrammheft‘ sagt, dass Sie alles wissen, was Sterblichen zu wissen gegeben.“

Mascha Kaléko starb 1975 in Zürich.

 

 

Nekrolog auf ein Jahr

Nun starb das Jahr. Auch dieses ging daneben.

Längst trat es seinen Lebensabend an.

Es lohnt sich kaum, der Trauer hinzugeben,

Weil man sich ja ein neues leisten kann.

 

Man sah so manches Jahr vorüberfliegen,

Und der Kalender wurde langsam alt.

Das Glück gleicht eleganten Luxuszügen

Und wir der Kleinbahn ohne Aufenthalt...

 

Im Wintersportgebiet hat's Schnee gegeben.

- Wer Hunger hat, schwärmt selten für Natur.

Silvester kam. Und manches Innenleben

Bedarf jetzt fristgemäß der Inventur-.

 

Wir gossen Blei und trieben Neujahrspossen.

(Minister formen meist den Vogel Strauß...)

- Was wir im letzten Jahr in Blei gegossen,

Das sah verdammt nach Pleite-Geier aus.

 

Das Geld regiert. Wer hat es nicht erfahren,

Die Menschenliebe wenig Zinsen trägt.

- Ein braver Mann kann höchstens Worte sparen. ...

...Wenn er die Silben hübsch beiseitelegt.

 

Die Freundschaft welkt im Rechnen mit Prozenten.

Bald siehst du ein, daß keiner helfen kann.

Du stehst allein. - Und die dir helfen könnten,

Die sagen höchstens: "<... rufen Sie mal an!>"

 

Nun starb ein Jahr. - Man lästre nicht am Grabe!

Doch: Wenn das Leben einer Schule gleicht,

Dann war dies Jahr ein schwachbegabter Knabe

Und hat das Ziel der Klasse nicht erreicht...

 

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