Vorlesen

Max Liebermann (1847-1935)

Selbstbildnis, 1908
Gemälde
Moderne Galerie

 

Im Entstehungsjahr seines Selbstbildnisses wurde Max Liebermann – 1847 als Sohn des Fabrikanten, Großkaufmanns und Stadtverordneten Louis Liebermann in Berlin geboren – 61 Jahre alt. Seit der Gründung der Berliner Secession im Jahr 1898 war er ihr Vorsitzender und im übrigen ein bereits vielfach ausgezeichneter und auch international anerkannter Künstler.

Dennoch hatte der Kaiser im Jahr zuvor zu seinem 60. Geburtstag – trotz vermittelnder Fürsprache auch Wilhelm Bodes, des Generaldirektors der Berliner Museen – eine offizielle Ausstellung der Werke Liebermanns in der Kgl. Akademie der Künste abgelehnt.

Die Abneigung Wilhelms II. gegen eine Malerei, die er wenige Jahre vorher mit dem Verdikt „Rinnsteinkunst“ belegt hatte, war zu tief und richtete sich vor allem gegen ihre sozialen Implikationen. Auf der anderen Seite war Liebermanns Bekenntnis zur Revolution von 1848 eindeutig. „Da ich 1847 geboren wurde, ist es nicht zu verwundern, dass meine politischen und sozialen Anschauungen die eines Achtundvierzigers waren und geblieben sind.“

Das Jahr 1908 war für Liebermann überschattet durch den frühen Tod seines Malerfreundes Walter Leistikow, der – überaus populär durch seine Seenlandschaften aus der Umgebung Berlins – zu den Gründern der Secession gehört hatte und „ihre treibende Kraft“ blieb, wie Liebermann in seiner Grabrede feststellte. […]

Das Saarbrücker Gemälde gehört in die Reihe der späten Selbstbildnisse Liebermanns, die 1902 einsetzt, als die Uffizien in Florenz ihn um ein Portrait baten.

Im Bildnis des Saarland Museums dominiert ein verhalten-besinnlicher Ton. Liebermann stellt sich in ihm als Maler vor einem Spiegel stehend dar, so dass er die Palette in der rechten, einen Lappen und Pinsel in der linken Hand zu halten scheint. Seine Arbeit ist offensichtlich abgeschlossen, seine Gemälde stehen im Hintergrund an die Wand gelehnt, und der Maler blickt sinnend voll Melancholie und nicht ohne Resignation mehr in sich hinein, als dass er ein Gegenüber anblickt.

(Ernst-Gerhard Güse, in: Meisterwerke des 20. Jahrhunderts, Saarland Museum Saarbrücken, 1999)

 

 

Begleitende Lyrik

Joseph von Eichendorff (1788-1857)

 

Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff – geb. 1788 auf Schloss Lubowitz bei Ratibor, Oberschlesien und gest. 1857 in Neisse – zählt zu den bedeutenden Dichtern der deutschen Romantik. Vor allem durch die zahlreichen Vertonungen seiner Gedichte (etwa 5000) erfuhr sein Werk eine immense Popularität.

(weitere Angaben zu Person und Werk siehe Kunstquarantäne Nr. 52)

Ende der 1830er Jahre entstand Eichendorffs Gedicht „Im Alter“ und 1844 das Gedicht „Das Alter“ – in beiden Gedichten verbindet er die von ihm favorisierte Naturlyrik mit unerschütterlichem Gottvertrauen (ans Fenster klopft ein Bot‘ mit frohen Mienen).

 

 

Das Alter

Hoch mit den Wolken geht der Vögel Reise,

Die Erde schläfert, kaum noch Astern prangen,

Verstummt die Lieder, die so fröhlich klangen,

Und trüber Winter deckt die weiten Kreise.

 

Die Wanduhr pickt, im Zimmer singet leise

Waldvöglein noch, so du im Herbst gefangen.

Ein Bilderbuch scheint alles, was vergangen,

Du blätterst drin, geschützt vor Sturm und Eise.

 

So mild ist oft das Alter mir erschienen:

Wart nur, bald taut es von den Dächern wieder

Und über Nacht hat sich die Luft gewendet.

 

Ans Fenster klopft ein Bot' mit frohen Mienen,

Du trittst erstaunt heraus – und kehrst nicht wieder,

Denn endlich kommt der Lenz, der nimmer endet.

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