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Kunst in Quarantäne 2.0

Johann Friedrich Dryander (1756-1812)

Familienbild des Hüttenbesitzers Philipp Heinrich I. Krämer vor dem Rentrischer Eisenwerk, 1804
Alte Sammlung
 

Der Saarbrücker Hofmaler Johann Friedrich Dryander ist um das Jahr 1800 einer der beliebtesten Porträtmaler an der Saar. Waren seine Auftraggeber bis Mitte der 1790er Jahre vorrangig Militärbedienstete der französischen Armee, so änderte sich dies mit dem wirtschaftlichen Erstarken des Bürgertums gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Der neu gewonnene soziale Status der Industriellen sollte auch in Bildnissen festgehalten werden.

In den Jahren 1804/05 hielt sich Dryander mehrmals auf dem Hüttenwerk der Familie Krämer in St. Ingbert auf, um Entwürfe und Zeichnungen zur dekorativen Gestaltung der Eisenhütten-Erzeugnisse anzufertigen (in der Alten Saamlung existiert z.B. ein gußeiserner Kanonenofen, der nach Entwürfen von Dryander gestaltet wurde).

Bereits im April 1804 war Dryander für fünf Tage "auf das dingwirther Werck gereißt um an Hl: Krämers familien Gemälde zu arbeiten", welches er schließlich am 31. Mai in seinem Arbeitsbuch notierte mit den Worten:"„Ein Familien Gemälde von Hl: Ph: Heinrich Krämer vom Rentrescher Werck mit 11 Personen im Freyen gemalt, im Hintergrund einige Gebäude vom Werck".

Das Familienbild, das sich heute in der Alten Sammlung befindet, weist durch Signatur das Jahr "1803" als Entstehungsdatum aus. Dryander hat das Gemälde aber sicherlich – wie in seinem Arbeitsbuch niedergeschrieben – erst im Frühjahr 1804 gemalt. Möglicherweise entstand innerhalb der Familie erst nach dem Tod von Philipp Heinrich Krämer im September 1803 der Wunsch ein Familienbild anfertigen zu lassen, das auch dessen Porträt beinhaltete. Man darf also annehmen, dass Dryander das Bildnis bewusst mit der Jahreszahl "1803" vordatiert hat, um den Eindruck zu erwecken, das Bildnis sei noch zu Lebzeiten Philipp Heinrich Krämers entstanden.

Das Krämersche Familienbild stellt eine der wenigen erhaltenen vielfigurigen Kompositionen Dryanders dar und zeigt die Personen in enger Verbundenheit vor dem Werksgelände in St. Ingbert.

Die Eheleute Sophie und Philipp Heinrich Krämer sitzen mit Georg Ludwig Firmond, dem Verfasser der nach ihm benannten „Firmondschen Chronik“ und Vater von Sophie, im Halbkreis unter einer Baumgruppe, zwischen ihnen ein Knabe. Am rechten Bildrand steht die Tochter Marie Charlotte, zwischen der Erwachsenengruppe Philipp Heinrich und etwas abgerückt links am Tisch Maria Katharina Sophie. Im Bildvordergrund spielen zwei jüngere Knaben (mit eigentümlichen Proportionen) mit einem Hund. Am linken Bildrand komplettieren ein Hausdiener und eine Magd das Familienidyll.

Als Sophie Krämer nach dem Tod ihres Mannes 1804 das Hüttenwerk erwarb, gehörte auch ein Herrenhaus zum Werksgelände, welches heute nicht mehr erhalten ist. Dryanders Familienbild ist das einzige Zeugnis, das eine Vorstellung des früheren Standortes und seines Aussehens vermittelt.

Im Bildvordergrund hat Dryander mit einer Anhäufung von gusseisernen Erzeugnissen nicht nur auf die Produktionsvielfalt des Hüttenwerkes, sondern auch auf seine weiteren Tätigkeiten für die Familie Krämer hingewiesen, nämlich Dekorationsentwürfe für Vasen und Öfen zu gestalten.

Obwohl Dryander bei vielfigurigen Kompositionen stets an einer Variation bezüglich Haltung, Gestik und Blickrichtung der Dargestellten gelegen war, verbleiben die Einzelpersonen doch als steife Figuren, die eine summarische Addition über die Bildfläche offenbaren.

(Dr. Elke Schwarz, Fördergesellschaft)

 

 

Begleitende Lyrik

Rainer Maria Rilke (1875-1926)

Rilkes "Stunden-Buch", das er in drei Bücher unterteilt, entstand zwischen Oktober 1899 und April 1903. Es war das erste seiner Bücher mit dem er auch öffentlich populär wurde.

Rilke selbst schreibt über das "Stunden-Buch" an Elsa Bruckmann am 13. Juli 1915: "Waren schon die 'Geschichten vom lieben Gott' gewissermaßen ein Entwurf persönlicher Frömmigkeit, so ist das 'Stunden-Buch' noch in viel leidenschaftlicherem Grade ein Versuch, die unmittelbarste Gottesbeziehung herzustellen, ja sie, aller Überlieferung zum Trotz, dem Augenblick abzuringen."

Das dritte Buch trägt den Titel "Das Buch von der Armut und vom Tode" und thematisiert die "Frage nach dem ontologischen Status der modernen Lebenswelt". Es entstand zwischen dem 13. und 20. April 1903 in Viarregio: die u.a. darin enthaltenen Gedichte "Oh Herr , gib jedem seinen eignen Tod" am 15. April, und "Denn wir sind nur die Schale und das Blatt" am 16. April.

 

Oh Herr, gib jedem seinen eignen Tod

Oh Herr, gib jedem seinen eignen Tod,

Das Sterben, das aus jenem Leben geht,

darin er Liebe hatte, Sinn und Not.

 

 

Denn wir sind nur die Schale und das Blatt

Denn wir sind nur die Schale und das Blatt.
Der große Tod, den jeder in sich hat,
das ist die Frucht, um die sich alles dreht.

Um ihretwillen heben Mädchen an
und kommen wie ein Baum aus einer Laute,
und Knaben sehnen sich um sie zum Mann;
und Frauen sind den Wachsenden Vertraute
für Ängste, die sonst niemand nehmen kann.
Um ihretwillen bleibt das Angeschaute
wie Ewiges, auch wenn es lang verrann, -
und jeder, welcher bildete und baute,
ward Welt um diese Frucht, und fror und taute
und windete ihr zu und schien sie an.
In sie ist eingegangen alle Wärme
der Herzen und der Hirne weißes Glühn -:
Doch deine Engel ziehn wie Vogelschwärme,
und sie erfanden alle Früchte grün. 

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