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Sakristeischrank

Süddeutsch, Ende 16. Jh.
Alte Sammlung

 

Zu den Exponaten der Alten Sammlung gehören neben Gemälden, Skulpturen und Porzellanen auch Möbel. Das exquisite Mobiliar spiegelt als Repräsentations- oder Gebrauchsobjekt wie kaum ein anderes kunsthandwerkliches Erzeugnis Stil und Charakter seiner jeweiligen Entstehungsepoche wider.

Ein Schrankmöbel aus dem Kloster Limburg a.d.Haardt steht als ein herausragendes Beispiel für die süddeutsche Möbelkunst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die äußere Gestaltung entspricht der seit Mitte des Jahrhunderts immer stärkeren Orientierung der Schreiner an der Architektur und der Verarbeitung ihrer aus der Antike übernommenen Elemente. So unterwirft sich die als Architekturfassade gestaltete Vorderfront dieses Möbels den Gesetzen der Renaissancegebäude.

Auf einem durch zwei Pilasterpostamente vorgekröpften breiten Sockelkasten tragen zwei Pilasterpaare dorischer Ordnung die dreiseitig profilierte, über den Pilastern verkröpfte Deckplatte des Unterteils, auf der das abgetreppte, sechsschübige, querrechteckige Mittelteil zu liegen kommt. Über diesem Mittelteil erhebt sich eine dreibogige, von Pilastern ionischer Ordnung vertikal gegliederte Triumphbogenarchitektur, deren überhöhter Mittelbogen über Gebälk und Fries von einem mächtigen Giebel bekrönt wird, während  die flankierenden niedrigeren Seitenbögen ihren oberen Abschluss in einer Balustrade finden.

Die Tür- und Seitenfüllungen des Unterteils sind als Ädikulen gestaltet. Alle Flächen der Front sind in verschiedenen einheimischen Hölzern reich eingelegt. Als Motive treten Mauresken, Roll-, Schweif- und Beschlagwerk, vertikale Fruchtgehänge sowie Rankenwerk mit Laub- und Blütenmotiven auf. Der Türfries, wie auch die Schubladenfronten des Mittelteils, sind mit den für die süddeutschen Renaissancemöbel charakteristischen Architekturdarstellungen eingelegt. Bei den figürlichen Darstellungen handelt es sich auf dem Unterteil zwischen den Pilastern um die Allegorien der Eitelkeit (vanitas) mit den Attributen Schlange und Spiegel auf der linken Seite und der Gerechtigkeit (iustitia) mit den Attributen Augenbinde, Waage und Schwert auf der rechten Seite. Die Innenfläche der Türädikula zeigt vor einem Hintergrund aus Architektur und Ruinendarstellungen einen sich in sein Schwert stürzenden bärtigen Mann in Brustharnisch und Helm (Selbstmord Sauls). Bei den jetzigen äußeren Korpusflächen handelt es sich um spätere Ergänzungen, welche die originalen Korpuswände umschließen. Auf den Bogenflächen des Aufsatzes sind im mittleren Bogen die Verkündigung an Maria (Lk, 1,26-38) dargestellt, in den flankierenden Bogenflächen links Petrus mit Schlüssel und Buch, rechts Paulus mit dem Schwert.

Trotz einer Restaurierung im Jahre 1881 (Datierung auf der Innenseite der Türe), in deren Verlauf der gesamte Sockelbereich ersetzt wurde, stellt dieser Schrank ein Kunstwerk höchster Qualität dar, das verstehen lässt, weshalb solche Möbel schon zu ihrer Entstehungszeit begehrte Prestigeobjekte waren.

(Patrick Urs Krüger, in: Die Alte Sammlung, Saarland Museum, 1995)

 

 

Begleitende Lyrik

Rainer Maria Rilke (1875-1926)

Im September 1896 zieht Rilke nach München und lernt hier im Mai 1897 die Schriftstellerin und Psychoanalytikerin Lou Andreas-Salomé kennen und lieben. Diese beiden Ereignisse prägen Rilkes Frühwerk wie seine Sammlung „Mir zur Feier“ (entstanden zwischen November 1897 und Mai 1898).

Bereits im Herbst 1895 (wahrscheinlich teilweise bereits 1893 und 1894 in Prag) entstand seine Sammlung „Larenopfer“. Der Erstdruck von „Larenopfer“ erscheint 1896 in Prag noch unter Rilkes Geburtsname „René Maria Rilke“ (seinen Vornamen René wird er erst nach Bekanntschaft mit Lou Andreas-Salomé ändern, die den Vornamen „René“ als zu feminin klingend empfand und „Rainer“ bevorzugte).

Die Gedichte der Sammlung „Larenopfer“ sind noch geprägt von Rilkes Bezug zu seiner Heimat Böhmen und zeigen seine ersten literarischen Gehversuche. Er probiert die unterschiedlichsten Versmaße aus , wobei die Reimarten nicht immer zum Gegenstand des Gedichtes passen. Zu seinen frühen Gedichten äußerte Rilke, dass sie noch „die starken Wurzeln seiner Kraft“ in Böhmen hatten. Auch der gewählte Titel „Larenopfer“ (Laren sind die Schutzgötter bzw. Schutzgeister eines Hauses oder Ortes) weist noch auf den Heimatbezug hin.

Die folgend in Rilkes Leben sich zeigende Heimatlosigkeit – gespiegelt in seinen Gedichten und früh auch im Roman „Malte Laurids Brigge“ – wird letztlich hier bereits deutlich in einer Suche nach Heimat.

Dazu schreibt Rilke viele Jahre später, im Sommer 1921, an Rolf Freiherr von Ungern-Sternberg: „So geschah’s unvermeidlich, dass ich mir Wahlheimathen erwarb, nach dem Maaße der Entsprechung, das heißt, mir unwillkürlich eine Anstammung dort fingierte, wo das Sichtbare in einer Bildhaftigkeit den Ausdrucksbedürfnissen meines Instinkts irgendwie genauer entgegen kam […] Solange die Welt offen war und die Auswahl einer solchen kompositen Heimath uneingeschränkt, bildete sich aus allem so Erworbenen wirklich etwas wie eine schwebende und doch hinreichend tragende Stelle, gewissermaßen über den Ländern.“

Beim Gedicht „Das Kloster“ – aus der Sammlung „Larenopfer“ – hatte Rilke das Karmeliterinnenkloster am Hradschiner Platz in Prag vor Augen.

 

Das Kloster

Im Dämmerdustgeschwel

ist schon die Stadt zerronnen,

hoch steht das Haus der Nonnen

des Ordens vom Karmel.

 

Der Abend hüpft hangab

vorbei mit Feuergarben

und windet tausend Farben

um jeden Fensterstab.

 

Er schmückt das düstre Haus

umsonst mit Lichtgeglänze:

so sehen frische Kränze

auf Leichensteinen aus.

 

 

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