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Albert Weisgerber (1878-1915)

Strand auf Norderney, 1910
Gemälde
Moderne Galerie

 

Albert Weisgerbers 1910 entstandenes Gemälde „Strand auf Norderney“ zeigt exemplarisch eine bei ihm kurzfristig spürbare Nähe zu den französischen Impressionisten. Eine mondäne Gesellschaft flaniert am Strand, ihrem Stand entsprechend die Damen mit sommerlich hellem Kleid und Hut, die Herren ebenfalls mit Hut bzw. Mütze und dunkler Jacke.

Der grau-blau changierende Himmel nimmt mehr als die Hälfte des Bildes ein, der sich darunter anschließende Strand ist mit zahlreichen Lichtreflexen versehen. Links ist das Meer als schmales Dreieck erkennbar, diesem entspricht rechts formal ein heller Grünstreifen der Düne. Meer und Düne bilden eine gemeinsame Horizontlinie, dazwischen verbleibt der Bildmittelpunkt mit einer Ansammlung von Spaziergängern.

Mit raschem Pinsel und pastosem Farbauftrag fängt Weisgerber die sommerliche Szene am Strand ein, die er dergestalt wohl bei einer seiner Reisen nach Norderney selbst erlebt hat. Nachweislich führte ihn 1907 – nach der im März 1907 erfolgten Eheschließung mit der jüdischen Bankierstochter Grete Pohl, die ihm einen großzügigen Lebensstil ermöglichte – eine Reise nach Norderney. Der zufällige und spontane Blick auf das Strandgeschehen wird insbesondere durch das Paar am linken Vordergrund suggeriert – einer Momentaufnahme gleich ist es bereits vom vorderen Bildrand überschnitten.

Das Gemälde gelangte 1982 mit Eingliederung der Sammlung Kohl-Weigand in die Stiftungsbestände. Von Weisgerber existieren zwei weitere Gemälde, die ebenfalls das Strandgeschehen thematisieren: „Strand“ (1907) und „Strand mit Fahnenstange“ (1908). Letzteres gelangte ebenfalls 1982 mit der Sammlung Kohl-Weigand in den Bestand des Saarlandmuseums. Aufgrund einer problembelasteten Vergangenheit wurde es vor einigen Jahren restituiert und an die vormaligen Besitzer zurückgegeben.

(Dr. Elke Schwarz, Fördergesellschaft)

 

 

Begleitende Lyrik

Marie Luise Kaschnitz (1901-1974)

Die 1901 in Karlsruhe geborene Schriftstellerin Marie Luise Freiin von Holzing-Berstett, besser bekannt als Marie Luise Kaschnitz, absolvierte zunächst eine Lehre als Buchhändlerin, arbeitete danach in einem Verlag in München und in einem Antiquariat in Rom. Nach der Eheschließung mit dem Archäologen Guido Kaschnitz von Weinberg  im Jahr 1925 lebte sie abwechselnd in Königsberg, Marburg, Rom (Guido Kaschnitz war von 1953 bis 1956 der erste Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom) und Frankfurt.

Ihren ersten Roman „Liebe beginnt“ publizierte Kaschnitz im Jahr 1933. Doch es dauerte bis Anfang der 50er Jahre bis sie einem größeren Publikum bekannt wurde. Diese Anerkennung bescherte ihr 1952 die Geschichte „Das dicke Kind“ des gleichnamigen Erzählbandes. 1955 erhielt sie den Georg-Büchner-Preis. Marie Luise Kaschnitz starb 1974 in Rom.

Das Gedicht „Am Strande“ entstand 1936.

 

Am Strande

Heute sah ich wieder dich am Strand

Schaum der Wellen dir zu Füßen trieb

Mit dem Finger grubst du in den Sand

Zeichen ein, von denen keines blieb.

 

Ganz versunken warst du in dein Spiel

Mit der ewigen Vergänglichkeit

Welle kam und Stern und Kreis zerfiel

Welle ging und du warst neu bereit.

 

Lachend hast du dich zu mir gewandt

Ahntest nicht den Schmerz, den ich erfuhr:

Denn die schönste Welle zog zum Strand

Und sie löschte deiner Füße Spur.

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