Im Herbst ist das Licht in der Provence besonders schön. Malerische Landschaften, verträumte Städtchen und eine Überfülle an kunsthistorischen Highlights erwarteten uns Mitte Oktober bei unserer Provence-Reise. Insbesondere ein Besuch des Luma in Arles, eine Erkundung des als "La Ribaute" bekannten Areals des Künstlers Anselm Kiefer sowie ein Besuch von "Chateau La Coste" beeindruckten uns nachhaltig.
Unser Reiseverlauf im Überblick:
Dienstag, 10. Oktober 2023: Beaune – Avignon
Über Lothringen gelangten wir ins südliche Burgund nach Beaune. Im Zentrum der historischen Altstadt steht das Hôtel-Dieu, das 1443 von Nicolas Rolin, dem Kanzler des burgundischen Herzogs Philipps des Guten, gestiftet wurde. Es vermittelt in seinem baulichen Bestand noch gut die Vorstellung eines mittelalterlichen Hospitals mit Krankensaal, Wäschekammer, Küche und Apotheke. In einem Seitentrakt ist neben kostbaren Tapisserien Rogier van der Weydens berühmter Flügelaltar "Das jüngste Gericht" zu sehen, den er um 1450 für den Krankensaal des Hospizes angefertigt hat. Nach diesem ersten kunsthistorischen Höhepunkt setzten wir unsere Reise in die Provence fort. Gegen Abend erreichten wir Avignon und bezogen unser wunderschönes, inmitten der Stadt gelegenes Hotel Cloitre Saint Louis - mit sehr unterschiedlich ausgerichteten Zimmern wie wir feststellen durften.
Mittwoch, 11. Oktober 2023: Avignon
Nach einem gemütlichen Frühstück starteten wir zu Fuß unsere Stadterkundung in Avignon. Fast ein Jahrhundert lang regierten im 14. Jahrhundert Päpste und Gegenpäpste von Avignon aus die christliche Welt. In dieser Epoche gelangte die Stadt zu Wohlstand und einer unermesslichen Machtfülle, wovon der Papstpalast ein eindrucksvolles Zeugnis ablegte. Eine formidable Ausstellung der französischen Bildhauerin Eva Jospin - innerhalb der mittelalterlichen Burganlage - die Wald und faszinierende Gebäude aus geschichteter Wellpappe entstehen ließ, machte den Besuch des Papstpalastes zu einem ganz besonderen Erlebnis.
Bei schönem Wetter lud die Mittagspause dazu ein, die französische Küche unter Platanen zu genießen. Am Nachmittag starteten wir mit der Fondation Angladon-Dubrujeaud, in der die herausragende Kunstsammlung des Pariser Coutouriers Jacques Doucet untergebracht ist. In der Bel Etage des Palais Angladon befindet sich die großbürgerlich eingerichtete Wohnung des in Avignon gebürtigen Doucet, während im Erdgeschoss die Meisterwerke seiner Sammlung mit Werken aus dem 19. und 20. Jahrhundert, unter anderem Degas, van Gogh und Sisley, ausgestellt waren.
Eine Kaffeepause auf der Terrasse des Café Baretta stärkte uns für die letzte Station des Tages: die Collection Lambert, die seit dem Jahr 2000 im Hôtel de Caumont und Montfaucon präsentiert wird. Ihr Sammlungsschwerpunkt ist die Kunst ab dem späten 20. Jahrhundert. Das Museum entstand auf Initiative des Kunsthändlers und Sammlers Yvon Lambert und beherbergt Werke international renommierter Künstler wie Jean-Michel Basquiat, Sol LeWitt, Anselm Kiefer, Candice Breitz, Sean Scully oder Andres Serrano.. Eine Reihe von Arbeiten wurde explizit für diesen speziellen Ort geschaffen, etwa der Innenhof mit einer Installation von Miroslaw Balka. Am Abend waren wir im Restaurant La Treille zu Gast.
Donnerstag, 12. Oktober 2023: Anselm Kiefer und La Ribaute
Nordwestlich und eine gute Fahrstunde von Avignon entfernt, liegt der kleine Ort Barjac, in dem Anselm Kiefer von 1992 bis 2007 ein Atelier unterhielt. Er hatte im Laufe seiner Karriere in verschiedenen Ateliers in Deutschland, Frankreich, Österreich, Portugal und den Vereinigten Staaten gearbeitet. Einige von ihnen haben sich im Laufe der Zeit zu beeindruckenden, raumgreifenden Anlagen entwickelt, die alle Aspekte seiner künstlerischen Praxis beinhalten, so auch La Ribaute, Kiefers Ateliergelände in Barjac. Das Atelieranwesen erstreckt sich derzeit über vierzig Hektar und besteht aus mehr als siebzig Räumen für Kunst, die durch ein komplexes Netz von Wegen, unterirdischen Gängen und Krypten miteinander verbunden sind. La Ribaute ist einer der faszinierendsten und komplexesten Kunsträume unserer Zeit und ermöglicht einen umfassenden Einblick in Kiefers Werk, das auch seine Verknüpfungen zu den literarischen Arbeiten von Paul Celan, Ingeborg Bachmann und Georg Trakl aufzeigt. Auch wenn Kiefer mittlerweile sein Atelier in Croissy-Beaubourg in den ehemaligen Lagerhallen des Pariser Kaufhauses Samaritaine bezogen hat, entstehen hier in La Ribaute nach wie vor neue Gebäude, die seine aktuell entstehenden Kunstwerke beherbergen werden.
Mit unserem sympathischen Guide Jeremy erkundeten wir mehrere Stunden lang das weitläufige, beeindruckende Gelände.
Erholung gab es bei einem gemütlichen Mittagessen an den Gorges de l'Ardèche und einem Spaziergang entlang dieses einzigartigen Naturdenkmals der Ardèche.
Zurückgekehrt nach Avignon speisten wir im "Restaurant numero 75" zu Abend.
Freitag, 13. Oktober 2023: Paul Cézanne und Aix-en-Provence
Aix-en-Provence war seit 1501 Sitz eines von Ludwig XII. gegründeten Parlaments und bis zur Revolution regierte diese Institution praktisch den gesamten französischen Süden. Parallel zu dieser Entwicklung gedieh Aix zu einer von Adel und Wohlstand geprägten Stadt, die bis in die Gegenwart zu den elegantesten Städten Frankreichs zählt. Unser Stadtrundgang begann am Cours Mirabeau mit seinen noblen Adelspalais und prächtigen Brunnen. Gleich hinter dem von Platanen gesäumten Prachtboulevard tauchten wir in das pittoreske Gassengewirr der Altstadt rund um das Hôtel de Ville und die Kathedrale St. Saveur mit einem frühchristlichen Baptisterium ein, das uns schließlich zum Musée Granet mit seiner eindrucksvollen Gemäldegalerie geleitete. Das 1765 gegründete Museum zählt zu den ältesten in Frankreich. Den Grundstein bildete eine umfangreiche Antikensammlung, zu der 1849 ein beträchtliches Legat des Malers François Marius Granet hinzukam. Weitere Stiftungen folgten, so dass das Museum heute über eine sehr qualitätvolle Sammlung verfügt, die bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts reicht. Von Paul Cézanne sind 8 Arbeiten zu sehen. Am Nachmittag folgten wir den Spuren Paul Cézannes in Aix und besuchen sein Atelier „Les Lauves“ im Norden der Stadt. Durch ein großes Südfenster flutete Licht in den Raum im Obergeschoss eines kleinen Hauses, der eine Vielzahl seiner Malutensilien, Töpfe, Krüge und Obstkörbe beherbergt.
Am Abend erwartete uns in Avignon im Restaurant agape ein köstliches Abendessen.
Samstag, 14. Oktober 2023: Arles
Kunstinteressierte haben Arles bislang meist mit seinem immensen antiken Erbe und dem kurzen Aufenthalt von Vincent Van Gogh in Verbindung gebracht. Das antike und mittelalterliche Erbe von Arles ist in der Tat gewaltig. Seit kurzem ist ein weiteres „Highlight“ hinzugekommen: 2010 hat die Schweizer Kunstmäzenin Maya Hoffmann ein aufgelassenes Industriegelände ganz in der Nähe der Alyscamps erworben, um daraus ein Kulturzentrum zu schaffen. Architektonisch setzte Frank O. Gehry den Hauptakzent der LUMA-Stiftung mit einem gut 52 m hohen Turm in seiner gewohnten dekonstruktivistischen Formensprache. Das Kulturzentrum steht ganz im Zeichen der Begegnung mit der Gegenwartskunst und an einer Schnittstelle, an der bildende Kunst, Produktion, Forschung, Fotografie, Verlagswesen und Multimedia aufeinandertreffen und perfekt zusammenwirken. Insbesondere die bildenden Künstlerinnen und Künstler beeindruckten uns: Carsten Höllers metallene Rutsche "Isometric Slides", Olafur Eliassons Doppelwendeltreppe mit sich drehenden Deckenspiegeln wie auch Konstantin Grcics sog. "Open Space".
Am Nachmittag erkundeten wir gemeinsam das antike Erbe, u.a. die Ruine eines römischen Theaters, das Amphitheater, sowie ein zu den Meisterleistungen der provenzalischen Romanik zählendes Portal der Basilika St. Trophime, dessen Figurenreichtum und prachtvolles Ornament noch von dem des Kreuzgangs der Kirche übertroffen wird. Anschließend begeisterte uns am Place de la République das "Maison Floris" mit leckeren Eisspezialiäten. Den Abend verbrachten wir im schönen Restaurant "Bibendum" in Avignon.
Sonntag, 15. Oktober 2023: Fondation Vasarely – Château La Coste
Das erste Ziel unseres heutigen Ausfluges lag am Stadtrand von Aix-en-Provence und war dem Werk eines einzelnen Künstlers gewidmet: Victor Vasarely. Der Maler war einer der Mitbegründer der Op-Art. 1970 hatte er in dem provençalischen Bergstädtchen Gordes ein Museum gegründet, in dem er ausschließlich eigene Werke zeigte. Sechs Jahre später folgte in Aix-en-Provence die Fondation Vasarely, ein ungewöhnlicher Bau aus sechzehn Sechsecken, den der Maler selbst entworfen hat. Dort sind 46 Monumentalwerke Vasarelys sowie Werkstudien zu ihrer Entstehung ausgestellt, die uns beeindruckten.
Dann fuhren wir weiter nach Le-Puy-Sainte-Réparade zum Weingut Château La Coste. Es ist bio-zertifiziert und jährlich werden gut 700.000 Flaschen des begehrten AOP Côteaux d’Aix-en-Provence produziert. Darüber hinaus ist Château La Coste für seinen „Rosé d’une nuit“ bekannt, dessen Trauben in nur einer Nacht geerntet und gekeltert werden. Die andere Seite dieses außergewöhnlichen Ortes ist künstlerisch geprägt: Der futuristisch anmutende Weinkeller ist ein Entwurf von Jean Nouvel, das Kunstzentrum mit Café und Restaurant stammt von Tadao Ando. Hinzu kommen drei Ausstellungspavillons, die jeweils nach den Architekten, die sie entworfen haben, benannt sind: In der „Galerie de Richard Rogers“, im „Pavillon de Renzo Piano“ und im „Pavillon d’Oscar Niemeyer“, einem postum realisierten Bau nach den Entwürfen des 2012 verstorbenen Architekten, finden Wechselausstellungen statt. In dem weitläufigen Außenbereich sind rund 40 Werke von so etablierten Künstlerinnen und Künstlern wie Louise Bourgeois (Spider), Alexander Calder, Yoko Ono (Wünschebaum), Richard Serra oder Sean Scully installiert, aber auch ein Konzertpavillon von Frank Gehry. Unsere Mittagspause verbrachten wir in den Restaurants "Francis Mallmann" und "Hélène Darroze", die ebenfalls ein besonderes Erlebnis waren.
Zurückgekehrt nach Avignon stellten wir fest, dass die Straßen wie leergefegt waren: das an diesem Abend stattfindende Rugby-Viertelfinale zwischen Frankreich und Südafrika (welches die Franzosen ganz knapp verloren) war dafür verantwortlich. Die Pubs und Bars waren hingegen proppenvoll.
Montag, 16. Oktober 2023: Heimreise
Am Montagmorgen hieß es Kofferpacken. Über Lyon mit einem Stopp an der dortigen Markthalle Paul Bocuse mit Gelegenheit zum Mittagessen und Einkaufen, fuhren wir zurück ins Saarland.
Ende einer traumhaften Reise, die uns noch lange in Erinnerungen schwelgen lässt an zauberhaft sonnige Tage mit besonderen Kunsterfahrungen und lukullischen Erlebnissen.