Vorlesen
Kunst in Quarantäne 2.0

Otto Mueller (1874-1930)

Van Zantens glückliche Zeit, um 1912
Holzschnitt auf Kupferdruckpapier
Moderne Galerie

Otto Mueller (1874-1930) gehörte der Künstlervereinigung „Brücke“ von 1910 bis zu ihrer Auflösung im Jahre 1913 an. In dieser kurzen Zeitspanne tritt vereinzelt die Südsee-Thematik in seinem Werk auf, offenbar angeregt durch den Austausch mit den anderen „Brücke“-Künstlern, insbesondere Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938).

Der um 1912 entstandene Holzschnitt des Saarlandmuseums ist eine Illustration – vermutlich ein Titelblattentwurf – zu dem Südsee-Roman „Van Zantens glückliche Zeit“ des Dänen Laurids Bruun von 1908. Die deutsche Erstausgabe mit dem Untertitel „Ein Liebesroman von der Insel Pelli“ erschien 1910 im Berliner Verlag S. Fischer. Die Idee zur Illustrierung des Romans scheint auf Muellers engen Kontakt zum Fischer-Verlag zurückzuführen zu sein. Aus unbekannten Gründen blieb die Illustrationsfolge Fragment und eine Buchpublikation unter Mitwirkung des Künstlers kam nicht zustande.

Auch der Holzschnitt blieb unvollendet: Er zeigt den Schriftzug des Buchtitels nur zur Hälfte ausgeführt und der Autorenname in der letzten Zeile ist lediglich in seiner Grundform angelegt. Die Darstellung des jungen Paares lässt sich auf das wiederkehrende erzählerische Motiv des Romans beziehen, das die Übereinkunft zum Liebesakt innerhalb des Insel-Stammes betrifft: „Wenn ein Mann eine Frau begehrt, wölbt er seine Hand um ihre Brust. Und wenn sie willig ist, legt sie ihre Hand um seinen Nacken.“

Die Figuren und Landschaftskomposition des Holzschnitts bereitete Mueller in einer mit Tusche und Aquarellfarben ausgeführten Zeichnung mit dem Titel „Sitzendes Liebespaar“ vor. […]

Innerhalb der Druckgrafik bevorzugte Mueller die Technik der Lithografie, lediglich sechs Holzschnitte von seiner Hand sind verzeichnet. Das Blatt war 2005/06 in der Ausstellung „Die Brücke in der Südsee – Exotik der Farbe“ in der Modernen Galerie des Saarlandmuseums zu sehen, damals noch als Leihgabe der Berliner Galerie Nierendorf, von der die Stiftung Saarländischer Kulturbesitz es im Jahre 2006 erwarb.

(Christiane Wichmann, in: 2000+, Neu im Saarlandmuseum)

 

Begleitende Literatur

Laurids Bruun (1864-1935)

 

Der dänische Schriftsteller Laurids Bruun verfasste vornehmlich Robinsonaden und Geschichten aus der Südsee, die häufig autobiografische Bezüge aufweisen, da er als Handelsvertreter in Batavia (Jakarta) arbeitete.

Im Vorwort des Buches "Van Zantens glückliche Zeit" weist Bruun den "Holländer Pieter Adrian van Zanten" als Verfasser des Buches aus, dessen Tagebuchaufzeichnungen er diesem Roman zugrunde lege: "Ich will im nachfolgenden – teils durch Mitteilungen, die van Zanten mir persönlich gemacht hat, teils durch seine im Tagebuch niedergeschriebenen Aufzeichnungen – Rechenschaft davon ablegen, wer van Zanten war und wie ich, ein dänischer Schriftsteller, dazu komme, ihn in die Literatur einzuführen."

 

Im vierten Kapitel mit dem Titel "In der fremden Stadt" beschreibt Van Zanten seine Ankunft in der Stadt Wattiwua und die Gastfreundschaft der Eingeborenen sowie die von Otto Mueller im Holzschnitt thematisierte Liebesübereinkunft:

 

"Nachdem wir uns sattgegessen, nachdem die Sonne untergegangen und die Nacht den Tag fast ohne Übergang abgelöst hatte und ich nichts mehr von ihr sehen konnte als den Lichtreflex des Feuers in ihrem Auge, da erhob sie sich still von ihrem Platz. Kurz darauf fühlte ich sie an meiner Seite. Ich merkte ihre nackte, feste, warme Schulter an meinem Oberarm und den kräuterigen Duft ihres Kraushaares. Die Eingeborenen hier wissen nichts vom Küssen. Sie würden erstaunt sein, sich vielleicht abgestoßen fühlen, wenn sie sähen, wie zwei Menschen ihre Eßwerkzeuge gegeneinander legen.

Wenn ein Mann eine Frau begehrt, wölbt er seine Hand um ihre Brust. Und wenn sie willig ist, legt sie ihre Hand um seinen Nacken.

Ich wußte wohl, daß es auf den Inseln nicht als guter Ton galt, in einer Stadt, in der man zu Gast ist, Liebe zu suchen, außer bei den „freudlosen Witwen“. Ich wußte auch, daß es sich für ein Weib nicht geziemt, einem „Mann aus einer fremden Stadt“ Liebe zu schenken. Aber ich konnte dennoch nicht widerstehen, da sie sich selbst so dicht an meine linke Seite gesetzt hatte."

 

ZURÜCK