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Kunst in Quarantäne 2.0

Max Treitel (1874-1942)

Ohne Titel (Marktszene), undatiert (wohl um 1910/1920)
Öl auf Leinwand
Moderne Galerie

Max Treitels Gemälde, eine Marktszene vorstellend, ist dank einer Schenkung aus Privatbesitz im Jahr 2012 in die Sammlung des Saarlandmuseums gelangt.

Die Spuren des 1890 in Posen geborenen Künstlers jüdischer Herkunft sind schwer rekonstruierbar. Das Berliner Adressbuch gibt darüber Auskunft, dass Max Treitel 1915 in der Karlsruherstraße Nr. 23 in Berlin-Wilmersdorf ansässig und von Beruf Kunstmaler war.

Seine Eltern, Helene Treitel geb. Goldner und Theodor Treitel, sind nach der Geburt ihres Sohnes nach Berlin gezogen. Von den drei Kindern Johanna (1888-1942), Max (1890-1942) und Paula (*1894) überlebte nur die Jüngste den Krieg. Akten aus dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv geben darüber Auskunft, dass Max und Johanna Treitel am 14. Dezember 1942 nach Auschwitz deportiert wurden. Sie gelten seitdem als vermisst.

Der Obergerichtsvollzieher Schramm gab am 29. März 1943 an, dass die Schätzung des Haushaltes Treitel erfolglos war. Max Treitel habe bei der Hauptmieterin und Schwester Paula Treitel in der Westfälischen Straße 59 "ausser einigen wertlosen selbstgemalten Bildern nichts zurückgelassen."

Eine Urkunde der "Studienateliers für Malerei und Plastik" […] bezeugt, dass Max Treitel ein Schüler von Lovis Corinth war und im Zuge eines Kursus den Preis der Klasse zugesprochen bekam. Am 23. und 24. März 1914 folgte die Ausstellung der "Studienateliers für Malerei und Plastik" in der Berliner Secession, Kurfürstendamm 208/209. Ausgestellt wurden freie Studien aus den Abendaktsälen, selbstständige Arbeiten gegenwärtiger Schüler und Arbeiten aus den Lehrateliers, darunter Exponate von Max Treitel. […]

Das im Saarlandmuseum befindliche Ölgemälde entstand wohl zwischen 1910 und 1920 und zeigt eine winterliche Marktszene, die von Architektur eingerahmt wird. Erst wenn der Betrachter Distanz zum Werk einnimmt, fügen sich die hastig gemalten Pinselstriche vor den Augen des Betrachters zu einem mit Menschen belebten Marktplatz zusammen Die flirrende, alle Konturen auflösende Malweise verleiht dem Werk ein Moment der Bewegung. Der Einfluss des französischen Impressionismus ist, wie beim „Jahrmarkt“ und der „Prozession in St. Ingbert“ von Albert Weisgerber, deutlich spürbar.

Der erhöhte Betrachterstandpunkt und die winterliche Umgebung erinnern an die Werke von Monet, Sisley und Pissaro. Ein Großteil der impressionistischen Schneebilder entstand „en plein air“. Die Künstler begaben sich mit ihren Staffeleien bei Wind und Wetter nach draußen, wo sie das Gesehene festzuhalten suchten. Das Ergebnis sind Bilder mit reichen Farbnuancen, die durch die Reflektion des Lichts im Schnee entstehen.

(Dominika Kolodziej, in: 2000+, Neu im Saarlandmuseum)

 

Begleitende Literatur

Walter Mehring (1896-1981)

Der in Berlin geborene, jüdische Schriftsteller Walter Mehring (1896-1981) war einer der bekanntesten Autoren der Weimarer Republik und gehörte mit Kurt Tucholsky zu den Begründern des politisch-literarischen Kabaretts in Berlin. Sein bekanntestes Theaterstück „Der Kaufmann von Berlin“ wurde 1929 von Erwin Piscator im Theater am Nollendorfplatz uraufgeführt. Joseph Goebbels diffamierte Mehring und sein Theaterstück mit einem Hetzartikel in der Gauzeitung der Berliner NSDAP.

Verfolgt von den Nationalsozialisten fielen seine Bücher am 10. Mai 1933 bei einer öffentlichen Bücherverbrennung ("Aktion wider den undeutschen Geist") den Flammen zum Opfer. Mehring emigrierte kurze Zeit später, wurde 1939 in Frankreich interniert und floh 1941 in die USA, wo er bis zu seiner Rückkehr nach Europa im Jahr 1953 lebte.

In seiner 1933 bereits im Exil entstandenen „Ode an Berlin“ blickt er in Berliner Mundart wehmütig auf frühere Zeiten in seiner geliebten Heimat zurück und beklagt, dass er aus „de Innung ausjeschlossen“ ist.

 

Ode an Berlin

Manchmal berliner ick aus'n Traume. Und sooo'ne Träne kullert mir auf's Schemisett.

Ick höre ümmassu: 'Nu sind wa frei im deutschen Raume!' - Nee, Emil, nich det ick dir flaume: Emil, angtre nanu: jloobst'n det?
Ihr Spreeathener, rauh, mit defter Plauze,
Wir kenn'n uns doch - mir kommt ihr doch nich doof.
Der helle Deez - die wunderkesse Schnauze -
Der vierte Hinterhof mit Feez und Schwoof -
Die jriene Minna - und die Mutta Jrien -
Und sonntachs nach de Müggelberje peesen,
Mir wollt awas assähln von fremde Wesen?
Mir nich, Berlin!
Mir nich, Berlin!
Ick war doch ümma mang Euch mang mit Herz und Breejen!
Det is der Dank -
is das der Dank?
Von wejen!

Ihr duften Pankejöhrn - Ihr frechen Bollen!
Wir jing'n uns doch ins jleiche Freibad aal'n!
"Een Kissken, Schatz!"- "Herr Oba, noch sswee Mollen!" -
Der Mond da drob'n- der konnte uns wat mal'n!
Det war doch so - wir hatten doch wat los
Wenn wir zwee in de Lausekiste pennten.
Mir willste sahr'n von fremden Elementen?
Nee sach ma bloß!
Nee sach ma bloß!
War ick nich ümma mang Dir mang mit Herz und Breejen?
Det is der Dank -
is das der Dank?
Von wejen !
Ihr Bowkes - und ihr "Blauen Abführmittel!" Jetzt bin ick Neese, wenn's nach Treptow jeht? -
Nu brüllt ihr "Heil!" - und looft im braunen Kittel?
Wat denn? - Da hat woll eener dran jedreht?
Ick weeß doch, wo de Ferdeäppel blieh'n -
Ick stand doch Du und Du mit jedem Zossen,
Mir habt Ihr aus de Innung ausjeschlossen?
Sach ma, Berlin,
Schämste Dir nich?
Ick bleibe mang Dir mang mit Schnauze, Herz und Brejen!
Wat is dein Dank -
das is dein Dank?
Von wejen !!!

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